2022|04 – 09 COLLECTION WUENSCH – STEPHAN SIEBERS

STEPHAN SIEBERS – CUBE IN THREE PIECES – 2011 – steel with patina – 60x30x30cm – 3/5 – foto|gwa

Stephan Siebers (Jahrgang 1963) wurde in Köln geboren und kam über eine Schreinerlehre zur Beschäftigung mit Formen und Materialien wie Holz und Metall. Seine Entwürfe für Möbel dienten dazu, Alltagsobjekte so zu gestalten, dass ihnen eine klare und gleichzeitig sinnliche Ästhetik gegeben wird.

Schon bald entdeckte Siebers sein großes Interesse an der Architektur. Den Beruf des Architekten allerdings verwarf er während seines Architekturstudiums, erlaubte er ihm doch keine ausreichend freie und kreative Umsetzung seiner Ideen und Gedanken. Diese Möglichkeit ergab sich schließlich in der konkreten Auseinandersetzung mit der Kunst im allgemeinen und Bildhauerei im besonderen.

Inspiriert vom Bauhaus und der minimalistischen Form entstehen durch die Stabilität seiner Skulpturen Räume der Ruhe und Kontinuität, die dem Betrachter einen Fluchtpunkt aus der Transzendenz des Gewöhnlichen und dem Alltag bieten sollen. Diese Räume gehören bei Siebers zum Werk ebenso wie Form, Licht und Proportionen. Besonders der Einsatz von massivem Stahl unterstützt durch seine ihm charakteristische Beschaffenheit den Eindruck der Beständigkeit und Unvergänglichkeit.

STEPHAN SIEBERS – OBLONG IN THREE PIECES – 2012 – steel with patina – 60x30x30cm – 1/3 – foto|gwa

Die in den Skulpturen erschaffenen Räume wirken trotz ihrer Simplizität fast illusionistisch, indem sie das Auge des Betrachters mittels der scheinbaren Aufhebung der physikalischen Gesetze verwirren. Diese spielerische Verwirrung des Auges und die damit verbundene Überraschung öffnet dem Betrachter neue Räume: In den Skulpturen scheinen Würfel aus dem Gleichgewicht zu fallen und stehen doch stabil aufeinander; Kugeln, die aussehen, als würden sie zu Boden fallen, folgen nicht den Gesetzen der Schwerkraft, sondern verbleiben scheinbar mühelos in Schwerelosigkeit.

Die Beschäftigung mit Form und Formgebung stellt ein weiteres, zentrales Thema bei Stephan Siebers dar. Innere und äußere Unruhe des Lebens werden gebündelt und in den Skulpturen zu einer Form gebracht, welche als Pendant wirkt und so ein Gleichgewicht der Ruhe entstehen lässt. Für die Umsetzung dieses Balanceaktes bevorzugt er Materialien, die ursprünglich nicht im Kunstbereich, sondern in der Industrie Verwendung fanden und einen sehr eigenen Charakter haben: Aluminium, Stahl, Messing, Bronze, Eisen. In der rostigen und porigen Haut von Metall, in der trotzigen Unverwüstlichkeit des Stahls und im lastenden Gewicht geschmiedeter Kuben werden bei Siebers traditionelle bildhauerische Werte wie Vertikalität, Stabilität und Schwere aufgelöst.

Stephan Siebers verlangt vom Betrachter nicht mehr, als er zu geben in der Lage ist. Seine Arbeiten sind das, was sie sind. Sie erzählen keine umständliche Geschichte und sind auch keine Darstellung von etwas anderem. Sie bedeuten (zunächst) nichts außer sich selbst.

Sein Bestreben ist es, Skulpturen zu erschaffen, die für eine neue Erfahrungsordnung stehen und die eine skulpturale Möglichkeit aufzeigen, die es vorher nicht gegeben hat oder die nicht vorherzusehen war. Dabei beruft er sich unter anderem auf Richard Serra, der diesbezüglich ein ähnliches Verständnis zum Ausdruck brachte: „Ich möchte Räume konstruieren, die uns ein wenig mehr davon erfahren lassen, wer wir sind, damit wir alle anders werden können, als wir sind(…) Ich arbeite, um herauszufinden, was ich nicht weiß“.

Für Siebers gibt es keine definitiven Richtlinien oder Methoden. In seinen Skulpturen wird eine Bewegung beinahe physisch erfahrbar und fühlbar, scheint zum Greifen nah. Trotz der Schwere des Materials empfindet der Betrachter eine fast schon verwirrende Leichtigkeit, als würden die Skulpturen von der sie umgebenden Luft unsichtbar getragen. In dieser rational nicht erklärbaren Leichtigkeit kann das Metall Anlass zu Träumen geben. Es soll eine Resonanz auf das Ich des Betrachters erzeugen. Denn das ist, worum es letztlich im Leben und in den Skulpturen von Stephan Siebers geht: Resonanzen zu erzeugen und für sie offen zu sein.